FELDEN … WAS?!?

So oder so ähnlich habe ich – wie viele andere wahrscheinlich auch – reagiert, als ich das erste Mal von FELDENKRAIS® gehört habe. Ich dachte zunächst an einen Kreis oder an Felder, aber nicht an Bewegung – auch wenn wir in den FELDENKRAIS® Stunden viele kreisende Bewegungen machen, wenn auch nicht notwendigerweise auf einem Feld. 😊 

Doch was passiert denn dann in den FELDENKRAIS® Stunden?

WER KOMMT IN EINE FELDENKRAIS® STUNDE?

Grundsätzlich kann jede*r von FELDENKRAIS® Stunden profitieren. Einige kommen zum ersten Mal in eine Stunde, weil sie Einschränkungen oder Schmerzen auf Bewegungsebene verspüren und ihre Lebensqualität verbessern möchten, anderen geht es um die Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten und wieder andere möchten gerne zur Prävention oder Regeneration aktiv werden. Somit sind die persönlichen Anliegen wirklich vielfältig:

  • Schmerzlinderung, z. B. bei wiederkehrenden Rücken- oder Nackenschmerzen
  • Wunsch nach mehr Stabilität und/oder Balance beim Stehen und Gehen, z. B. im Alter
  • Suche nach neuen (Bewegungs-)Impulsen für Sport, Tanz, Schauspiel, Musik etc.
  • Wiederherstellung von Beweglichkeit, z. B. nach einer Verletzung oder einer Operation
  • Mehr Stressresilienz, Suche nach innerer Ruhe und Ausgeglichenheit
  • Allgemeine Suche nach mehr Beweglichkeit, Lebensqualität und Kreativität, auch auf geistiger Ebene
  • Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung

Was ich als grundlegend positiv in meiner eigenen Beschäftigung mit FELDENKRAIS® wahrnehme, ist der Switch der Perspektive, den die Methode anbietet: weg vom „Das tut weh“ oder „Hier habe ich ein Problem“ hin zu „Das fühlt sich angenehm für mich an“ oder „Aha, hier finde ich eine Lösung“ – also weg von der Einschränkung hin zum Erlebnis neuer Möglichkeiten.

IN DER GRUPPE ...

In den Gruppenstunden BEWUSSTHEIT DURCH BEWEGUNG leite ich die Teilnehmer*innen über Sprache durch verschiedene Bewegungsabläufe. Diese folgen meist biomechanischen Ideen, lenken die Aufmerksamkeit immer wieder auf die unterschiedlichsten Bereiche in uns und machen erlebbar, wie Bewegung immer einfacher wird, wenn unser ganzes Selbst an dieser beteiligt ist. Dies hilft dabei, eigene Bewegungsmuster zu erkennen, Spannungen zu lösen und neue, gesündere oder effizientere Bewegungsalternativen zu verfestigen. Zumeist werden die Bewegungen auf dem Boden liegend, langsam und mit möglichst wenig Anstrengung ausgeführt. Es geht weniger darum, Muskeln zu trainieren, sondern eher um ein spielerisches Lernen ohne Erfolgszwang.

... ODER ALS EINZELSTUNDE

In den Einzelstunden, FUNKTIONALE INTEGRATION genannt, geht es auch um das Aufspüren von Bewegungsmustern und das Erweitern des eigenen Bewegungsrepertoires. Jedoch bewege ich hier die Klient*innen mit meinen Händen auf eine sanfte, klare Art und Weise durch verschiedene Bewegungsabläufe und -variationen. Diese sind auf die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Person und deren Fragestellungen abgestimmt. So lernt das Nervensystem, wo es nicht notwendige Muskelaktivität verringern kann, und wir finden gemeinsam heraus, wie sich Bewegung einfacher, schlüssiger oder auch effizienter organisieren lässt.

EINFACH ...

Im Mittelpunkt der FELDENKRAIS® Stunden steht Bewegung – das neue Erlernen von Bewegung, sich selbst kennenlernen in Bewegung, mit sich experimentieren, wie Bewegung einfacher, angenehmer, müheloser erlebt werden kann. Benannt wurde die Methode nach ihrem Begründer Dr. Moshé Feldenkrais, einem israelischen Wissenschaftler und Judoka. Dieser wollte – selbst von Knieproblemen geplagt – einer Operation entgehen und begann, seine Genesung selbst in die Hand zu nehmen. Dazu beschäftigte er sich zunächst mit den grundlegenden Eigenschaften des Bewegungsapparats, entdeckte seine eigenen Bewegungsmuster und lernte, wie er auf diese positiv einwirken konnte. Aus diesem Prozess entwickelte er schließlich über viele Jahre hinweg seine eigene Methode, indem er sein Forschungsdenken aus Mechanik und Physik sowie sein Bewegungsverständnis aus dem Judo mit funktionaler Anatomie zusammenbrachte.

Nach Moshé Feldenkrais ist Bewegung eines der grundlegenden Bestandteile menschlichen Seins – neben Denken, Fühlen und Wahrnehmen. Tritt Verbesserung bei einem dieser Bereiche ein, wirkt sich dies auch positiv auf die anderen aus. Und so bewegt eine FELDENKRAIS® Stunde auch immer den ganzen Menschen.

 

Moshé Feldenkrais © Michael Wolgensinger, International Feldenkrais Federation Archive

… FELDENKRAIS!

„Wir handeln dem Bild nach, das wir uns von uns machen.“ So beginnt Moshé Feldenkrais sein wohl bekanntestes Buch Bewusstheit durch Bewegung. Dieses Selbstbild Schritt für Schritt zu erweitern, ist dann auch eines der grundlegenden Ideen der FELDENKRAIS® Methode. Wir lernen immer wieder Neues über uns hinzu, mit Bewegung als Vehikel – und das auf organische Art des selbstbestimmten Lernens. Das bedeutet, dass FELDENKRAIS® Lehrer*innen ihren Schüler*innen nicht sagen, was sie zu tun und zu lassen haben, sondern sie öffnen einen Raum, in dem die Schüler*innen mit ihnen und sich selbst herausfinden können, was sie weiterbringt. Und dieser Prozess des inneren Wachstums ist quasi unbegrenzt, unabhängig von Alter, Vorkenntnissen, Herkunft etc. Und so treffen sich zu FELDENKRAIS® Stunden auch die unterschiedlichsten Leute zu denselben Bewegungslektionen, und alle haben die Möglichkeit, auf ihre individuelle Weise von diesen zu profitieren.

Der Schlüssel zu nachhaltiger Veränderung war für Moshé das Bewegen mit Bewusstheit. Also Bewegung nicht als stetige Wiederholung des Immergleichen, sondern wie finde ich heraus, was ich tue, wenn ich mich bewege. Wie mache ich das? Was passiert da? Wie entdecke ich neue Möglichkeiten, um mein Bewegungsrepertoire zu erweitern? Durch das Lenken von Aufmerksamkeit durch mich hindurch werde ich mir dabei immer klarer, was ich eigentlich tue.

UND WENN ICH WEISS, WAS ICH TUE, so Moshé, DANN KANN ICH TUN, WAS ICH WILL.

WIE FUNKTIONIERT DAS?

Diese Frage taucht oft auf – bei meinen Teilnehmer*innen wie auch bei mir selbst. Wir liegen am Boden, machen kleine, achtsame Bewegungen. Dann stehen wir auf und fühlen uns irgendwie verändert. Manchmal größer, ohne uns in die Länge gezogen zu haben. Manchmal ist das Stehen leichter. Manchmal sind ganz konkrete Veränderungen spürbar, wie sich das Skelett auf neue Art „übereinanderstapelt“. Und dann das Gehen: Irgendwie ist das Gehen anders. Vielleicht geschmeidiger. Vielleicht aufgerichteter. Manchmal auch ganz anders als gewohnt. Und das, ohne ein anderes Gehen geübt zu haben.

Aber wie funktioniert das denn nun? Hm, dazu ließe sich viel Wissenschaftliches sagen. Zum einen: Was passiert, wenn sich unsere Fähigkeit zur Propriozeption verbessert? Und dann ist da das Weber-Fechner-Gesetz, das die FELDENKRAIS® Methode zum Einsatz bringt. Oder man könnte Begriffe wie Neuroplastizität oder auch die biomechanischen Ideen der FELDENKRAIS® Stunden ansprechen, durch die skelettale Verbindungen geklärt und wiederhergestellt werden. Der Feldenkrais-Verband Deutschland informiert auf seiner Website (www.feldenkrais.de) über aktuelle Studien zur Wirksamkeit der Methode. Aber da ist noch etwas anderes, das dieses WIE FUNKTIONIERT DAS? eher zu einem WIE FUNKTIONIERE ICH? werden lässt.

Was passiert ganz individuell, wenn ich mir für eine relativ kurze Zeit Aufmerksamkeit schenke? Wenn ich neugierig, offen und freundlich mit mir selbst umgehe? Wie entdecke ich, wo es leicht für mich hingeht? Ich liege auf dem Rücken, die Beine aufgestellt. Aha, mein Kopf rollt heute leichter nach rechts als nach links. Hm, gleichzeitig hebt sich meine linke Schulter leichter als meine rechte vom Boden. Besteht da ein Zusammenhang? Und was passiert, wenn ich diesen inneren Zusammenhängen für eine Weile folge? Folgt mein Brustkorb vielleicht meiner linken Schulter und rollt leichter nach rechts, ebenso wie mein Kopf? Hm, ja, stimmt. Und was macht mein Becken? Oh, das kann ich aber irgendwie leichter nach links rollen. Spannend! Und dann tauchen auf diesem Weg plötzlich neue Elemente, neue Möglichkeiten auf. Sie merken wahrscheinlich: In einem solchen Prozess steht das, was war, und das, was sein wird, eher im Hintergrund. Ich komme in diesem Moment bei mir selbst an. Wie bewege ich mich? Und mag ich die Art und Weise, wie ich mich bewege? Wer bin ich eigentlich, wenn ich mich auf eine mir angenehme Art bewege? Jetzt, in diesem Moment? Und dann taucht vielleicht plötzlich eine weitere Frage auf:

WIE FUNKTIONIERE ICH, WENN ICH AUFHÖRE ZU FUNKTIONIEREN?

„Sich selbst zu erkennen, scheint mir das Wichtigste, was ein Mensch für sich tun kann.”

Moshé Feldenkrais